Nahrungsergänzungsmittel gibt es wie Sand am Meer, doch unter den Supplementen, die sich dank des seit Jahren anhaltenden Fitnessbooms immer größerer Beliebtheit erfreuen, gilt insbesondere das Whey Protein als der Heilsbringer schlechthin. Gerade Einsteiger gehen allerdings immer wieder dem Trugschluss auf den Leim, dass das Muskelwachstum exponentiell mit dem Konsum von Proteinpräparaten durch die Decke geht. Trotzdem ist Whey ein Nahrungsmittel, das nicht nur vielseitig einsetzbar ist, sondern auch das Zünglein an der Waage zwischen Erfolg und Misserfolg sein kann.
Was ist Whey Protein?
An dem Mysterium rund um das Whey Protein dürfte die Bezeichnung nicht ganz unbeteiligt sein, denn nicht unbedingt jedem ist geläufig, dass es sich schlicht um Molkeprotein handelt, welches aus Kuhmilch gewonnen wird. Im Gegensatz zum Casein, das gut 80 Prozent des Proteinanteils der Milch ausmacht und unseren Körper über lange Zeit mit Aminosäuren versorgt, zeichnet sich das Whey Protein durch seine außerordentlich schnelle Resorptionszeit aus. Darüber hinaus kennzeichnet sich das Produkt durch seine besonders hohe biologische Wertigkeit, die Aufschluss darüber gibt, in welchem Umfang Nahrungsprotein in körpereigenes Protein umgewandelt werden kann. Zwar hat die biologische Wertigkeit unter anderem aufgrund der willkürlichen Ansetzung des Referenzwertes von 100 kaum endgültige Aussagekraft, dennoch verschafft sie uns die Gewissheit, dass es sich im Fall des Whey Proteins, welches auf der zugrunde liegenden Skala einen Wert von 104 erreicht, um eine der hochwertigsten Proteinquellen für den menschlichen Organismus handelt. Besonders interessant ist die Tatsache, dass das Protein reich an verzweigtkettigen Aminosäuren ist, die im Gegensatz zu anderen essenziellen Aminosäuren nicht erst über die Leber an ihren Bestimmungsort gelangen, sondern ohne Umweg die Muskelzelle erreichen, wo sie als Stickstofflieferant energetisch verstoffwechselt werden. Nicht zuletzt aufgrund dieser Tatsache gilt Molkeprotein sowohl während der Massephase als auch im Rahmen einer Reduktionsdiät als die bedeutendste Nahrungsergänzung.
Whey Protein zur Optimierung des Muskelaufbaus
Die grundlegende Funktionsweise des Proteins unterscheidet sich nicht von diversen anderen Produkten wie Casein oder Mehrkomponenten-Proteinen, da auch hier die enthaltenen Aminosäuren vor allem Zellbausteine liefern. Aufgrund der Tatsache, dass sich die Aminosäuren aus dem Molkeprotein innerhalb von 30-45 Minuten bereits im Blut befinden, stehen sie unserem Körper schnell zum Aufbau neuer Zellen zur Verfügung. Dementsprechend eignet sich ein solches Präparat insbesondere im direkten Anschluss an ein hartes Workout dazu, unserem Körper dringend benötigte Bausteine zu liefern, um die beschädigten Muskelfasern reparieren und neue aufbauen zu können. Darüber hinaus ist Whey Protein dafür bekannt, aufgrund des hohen Anteils verzweigtkettiger Aminosäuren (BCAA), einen moderaten Insulinausstoß hervorzurufen. Das Insulin ist das anabolste Hormon und gleichzeitig der Gegenspieler des Stresshormons Cortisol, welches im Rahmen des Krafttrainings ausgestoßen wird und katabole Prozesse in Gang setzt. Folglich kann Whey Protein dazu beitragen, schneller in einen anabolen Stoffwechselzustand zu kommen, was insbesondere beim Muskelaufbau höchste Priorität hat.
Einnahme auch in der Diätphase sinnvoll
Weiter fördern Whey Proteine unter anderem aufgrund des beschriebenen antikatabolen beziehungsweise leicht anabolen Wirkungszusammenhangs, den Erhalt von fettfreier Muskelmasse in einer Reduktionsdiät. Zwar ist der Anteil verstoffwechselten körpereigenen Proteins mit durchschnittlich 1,25 Prozent am Gesamtenergieaufkommen relativ gering, jedoch fällt dies insbesondere in einer Diätphase ins Gewicht. Denn um überhaupt Depotfett zur Energiebereitstellung aufspalten zu können, benötigt der Körper Proteinbausteine. Für den Fall, dass sich keine Nahrungsproteine mehr im Blut befinden beziehungsweise sich der Aminosäurepool in der Leber stark leert, greift der Organismus auf körpereigene Proteinbausteine zurück, was auf Dauer einen nicht unerheblichen Verlust an fettfreier Muskulatur nach sich zieht. Da die Einnahme von Whey Protein dem entgegenwirkt, ist dieses nicht zu Unrecht eine der beliebtesten Nahrungsergänzungen auf dem Markt. Eine direkte Auswirkung auf die Verstoffwechslung von Depotfett hat die Supplementierung von Whey Protein unter der Voraussetzung, dass sich eine ausreichende Anzahl an Aminosäuren im Aminosäurepool der Leber befindet, allerdings nicht.
Der optimale Einnahmezeitpunkt
Wenn es um die Einnahmezeit geht, scheiden sich die Geister, denn wirklich essenziell, um signifikant Muskulatur aufbauen oder Fett verlieren zu können, ist Whey Protein definitiv nicht. Vielmehr geht es um die Optimierung, um die letzten 5%, die insbesondere für professionelle Athleten über Sieg oder Niederlage auf der Bühne entscheiden können. Folglich kann Molkeprotein zwar zu jedem beliebigen Zeitpunkt des Tages konsumiert werden, jedoch gilt es dabei den Kosten-Nutzen-Faktor im Auge zu behalten. Dennoch empfiehlt sich vor allem die Einnahme unmittelbar nach dem Training, um den Körper dabei zu unterstützen in den anabolen Baustoffwechsel zu gelangen. Eine unmittelbare Steigerung der Muskelaufbaurate durch den Konsum umgehend nach dem Workout existiert allerdings nicht, was wir unlängst in unserem Artikel über das „anabole Fenster“ aufgezeigt haben. Da unser Organismus nach dem Training allerdings vorrangig darauf bedacht ist die teilweise entleerten Glykogenspeicher wieder aufzufüllen, sollte das Protein zusammen mit Kohlenhydraten konsumiert werden, da unser Organismus dieses ansonsten im Rahmen der Gluconeogenese in Glucose umwandelt. In diesem Zusammenhang empfiehlt sich auch während einer Diätphase der Konsum von 0,5 Gramm Dextrose, Maltodextrin oder Wachsmaisstärke, um zu garantieren, dass ein Großteil der Aminosäuren in den Muskelzellen ankommt. Darüber hinaus erscheint die Einnahme unmittelbar nach dem Aufstehen sinnvoll, da zu diesem Zeitpunkt ein ähnliches Stoffwechselumfeld besteht wie nach dem Training. Besonders durch die Tatsache, dass seit der letzten Nahrungsaufnahme mehr als zehn Stunden vergangen sind und der Organismus sich langsam aber sicher daran macht Muskelprotein zu verstoffwechseln, macht ein Whey Proteinshake direkt nach dem Aufstehen Sinn. Weniger sinnvoll ist die Einnahme unmittelbar vor dem Training, da dieses zumeist zu einem Zeitpunkt stattfindet, dem keine zehnstündige Fastenphase vorausgegangen ist, und der Organismus dementsprechend auf Nahrungsprotein aus dem Blut zurückgreifen kann.
Fazit
Whey Protein ist weniger ein Wundermittel als vielmehr ein Nahrungsmittel, das sich multifunktionell, sowohl im Bereich des Muskelaufbaus als auch in der Diätphase einsetzen lässt. Dennoch spielt die Supplementierung, die zweifelsfrei den Aufbau von Muskelmasse indirekt optimieren beziehungsweise deren Abbau auf ein Minimum reduzieren kann, gegenüber hartem Training und einer ausgewogenen, proteinreichen Ernährung eine eher untergeordnete Rolle. Wenn du allerdings darauf aus bist, das Maximum aus deinem Körper herauszuholen, dann ist Whey Protein ein potenter Helfer, dessen Konsum sowohl unmittelbar nach dem Aufstehen als auch nach dem Training seine Berechtigung hat. Vor dem Training ist die Einnahme lediglich unter der Voraussetzung, dass längere Zeit keine Nahrungsaufnahme stattgefunden hat, sinnvoll.