Wenn wir ehrlich sind, gibt es kaum ein Thema, das im sportlichen Alltag derart viele Menschen umtreibt und so extrem heiß diskutiert wird, wie das Universum der Kohlenhydrate. Die Folgen sind mitunter heftig, denn während einige die Kohlenhydrate komplett verteufeln, schwören anderen vollends darauf. Woran das liegt? Naja, nicht alle Kohlenhydrate sind gleich geschaffen, werden aber dennoch von vielen Menschen in einen Topf geworfen, obwohl sie eigentlich auf unterschiedliche Dinge hinaus wollen. Das Ergebnis ist bekannt. Welchen Grund gäbe es also, sich nicht einmal genauer mit den Unterschieden zwischen langkettigen und kurzkettigen Kohlenhydraten zu beschäftigen?

Sind Kohlenhydrate nicht Kohlenhydrate?

Was unterscheiden denn nun beide Varianten? Die kurze Antwort: nicht viel, denn beide werden im Verdauungstrakt in Glucose aufgespalten und diesen dem Organismus als Brennstoff für jede nur denkbare Aktivität. Die lange Antwort: so gut wie jeder Aspekt, der mit Verdauung, Sättigung und Nährstoffzufuhr zu tun hat, unterscheidet kurzkettige und langkettige Kohlenhydrate. Die Verfechter des Kohlenhydratkreuzzuges, die behaupten, dass im Prinzip kein Unterschied zwischen 25 Gramm Kohlenhydraten aus Süßkartoffeln und 25 Gramm Kohlenhydraten aus Schokolade besteht, liegen also falsch. In Wahrheit hat die Beschaffenheit der Kohlenhydratketten einen riesigen Einfluss auf deinen Blutzuckerspiegel, auf deinen Stoffwechsel und nicht zuletzt auf deine Gesundheit.

Wie unterscheidet sich die Kohlenhydratstruktur?

Kurzkettige Kohlenhydrate setzen sich aus einzelnen Zuckermolekülen zusammen, die sich in Geflechten von nicht mehr als zwanzig Molekülen zusammenfinden. Langkettige beziehungsweise komplexe Kohlenhydrate stellen das exakte Gegenteil dar, denn diese vielschichtigen Kohlenhydratketten bestehen aus mindestens zwanzig Molekülen, weisen oft aber auch weit über 100 Teilchen pro Kette auf. Die daraus resultierende Folge ist eigentlich offensichtlich, denn um die komplexen Kohlenhydratketten zum Zweck der Energiegewinnung in einzelne Moleküle zu zerlegen, braucht der Organismus deutlich länger als bei kurzkettigen Kohlenhydraten. Zu den einfachen Kohlenhydraten gehören per Definition Einfachzucker wie Glucose, Fructose und Galactose sowie die Zweifachzucker Maltose, Lactose und Saccharose. Den komplexen Kohlenhydraten zuzuordnen sind hingegen Mehrfachzucker wie Stärke, Ballaststoffe und Glykogen.

Wie sieht es in puncto Verdauungsgeschwindigkeit aus?

Der glykämische Index ist ein System, das verschiedene Kohlenhydratquellen auf einer Skala von 0 bis 100 danach klassifiziert, wie schnell die aus der Aufspaltung resultierende Glucose in den Blutstrom gelangt. Je höher der glykämische Index (GI) dabei ist, desto schneller wird der Zucker nach dem Verzehr des entsprechenden Lebensmittels aufgenommen. Wie schnell die Glucose dabei aufgenommen wird, hat einen großen Einfluss auf deine Gesundheit, auf deinen Appetit und nicht zuletzt darauf, wie du dich fühlst. Während simple Kohlenhydratquellen wie Kartoffeln, Weißbrot, weißer Reis, Kekse, Fruchtsaft oder Süßigkeiten einen sehr hohen GI haben, verhält es sich bei komplexen Kohlenhydratquellen wie Haferflocken, braunem Reis, Äpfeln etc. genau anders herum. Wie fällt die Insulinantwort im Detail aus? Wenn die Glucose in den Blutstrom gelangt, beginnt deine Bauchspeicheldrüse damit, Insulin auszuschütten, das dafür sorgt, dass die im Blut gelösten Makronährstoffe Fett, Protein und Kohlenhydrate in die Zellen gelangen können. Sobald du aber eine große Menge an kurzkettigen Kohlenhydraten zu dir nimmst, schießt der Insulinspiegel in die Höhe. Konsumierst du nun langfristig große Mengen an kurzkettigen Kohlenhydraten, kann es mit der Zeit zu einer exzessiven Überproduktion von Insulin in der Bauchspeicheldrüse kommen. Das Resultat ist eine erhöhte Insulinresistenz sowie eine deutliche Gewichtszunahme. Diese Insulinresistenz der Zellen führt in Kombination mit dem dauerhaft erhöhten Blutzuckerspiegel in vielen Fällen zur Entstehung von Diabetes Typ 2 sowie anderen Stoffwechselerkrankungen. Komplexe Kohlenhydrate verursachen nur eine geringe Insulinreaktion und sorgen darüber hinaus für einen stabilen Blutzuckerspiegel, was dem Organismus gesundheitlich deutlich entgegenkommt.

Wie beeinflussen kurzkettige und langkettige Kohlenhydrate deinen Energielevel?

Stell dir einmal vor, du lässt im Rahmen einer Diät eine Mahlzeit aus oder hast aufgrund eines stressigen Alltags einfach keine Zeit etwas zu essen. Wenn dein Körper also durch eine solche Situation über längere Zeit keine Nahrung erhält, fällt der Blutzuckerspiegel deutlich unter seinen normalen Level. Diese sogenannte Hypoglykämie, also Unterzuckerung, kommt mit Symptomen wie Müdigkeit, leichten Kopfschmerzen und Heißhunger nach zuckerhaltigen Lebensmitteln einher. Gibst du nun diesem Verlangen nach kurzkettigen Kohlenhydraten nach, wird dein Blutzuckerspiegel zunächst extrem in die Höhe schießen, sich dann aber wieder rasch abbauen, um nach weiteren Naschereien erneut wieder in die Höhe zu schießen. Diese Energieachterbahn mit allen ihren Folgen kannst du leicht vermeiden, indem du vorwiegend auf komplexe Kohlenhydrate setzt. Das ist der kleine aber feine Unterschied, denn die langsam verdaulichen Kohlenhydrate machen aus der Achterbahn eher einen sinnbildlichen Bummelzug.

Die Sache mit dem Sättigungsgefühl

Physisch wahrgenommener Hunger ist eine Kombination aus biochemischen Prozessen im Verdauungstrakt und dem Füllstand deines Magens. Je schneller Kohlenhydrate verdaut und vom Magen aus in den Darm gelangen, desto schneller wirst du dich wieder hungrig fühlen. Kurzkettige Kohlenhydrate sind also nicht wirklich optimal, um ein langanhaltendes Sättigungsgefühl hervorzurufen. Da es im Fall von komplexen Kohlenhydraten schon aus rein physikalischer Sicht deutlich länger dauert, bis die Kohlenhydratketten aufgespalten sind und die Glucose den Blutstrom erreicht, hält das Sättigungsgefühl im ein vielfaches länger an. Hinzu kommen noch die enthaltenen Ballaststoffe, die beim Kontakt mit der Flüssigkeit im Magen und im Darm aufquellen und damit für weiteres Volumen sorgen, welches das Sättigungsgefühl aufrechterhält. Diesen Fakt solltest du dir vor allem im Zuge einer Diät zunutze machen, denn dies ist allemal besser als den Tag mit knurrendem Magen verbringen zu müssen und Gefahr zu laufen, zu Süßigkeiten zu greifen. Aber auch außerhalb von Diätphasen kann es nicht schaden, auf ballaststoffreiche Lebensmittel wie Haferflocken oder grünes Blattgemüse zu setzen.

Wie steht es mit dem Mikronährstoffgehalt?

Es kein Geheimnis, dass Lebensmittel wie Kekse, Kuchen und Schokolade nicht besonders nahrhaft sind. Aber auch viele angeblich so gesunde Getreidesorten wie Reis oder daraus resultierende Produkte wie Nudeln und Brot gehören eher in den Bereich der nährstoffarmen Produkte. Letzteres liegt insbesondere daran, dass im Zuge des Verarbeitungsprozesses ein Großteil des Nährgewebes und der Kleie abhandenkommt. Damit landen in diesen Produkten auch kaum noch Ballaststoffe, gesunde Fette sowie andere Mikronährstoffe, sodass praktisch nur noch kurzkettige Kohlenhydrate übrig bleiben. Damit fehlen den meisten Lebensmitteln, die vorwiegend aus Einfachzuckern bestehen auch essenzielle Vitamine und Spurenelemente, die zur Gesunderhaltung unseres Organismus beitragen. Es wird also immer deutlicher, warum Ernährungsexperten zu Vollkornprodukten und möglichst naturnahen Lebensmitteln raten. Damit schlägst du nämlich zwei Fliegen mit einer Klappe, indem du sowohl von den Vorzügen komplexer Kohlenhydrate profitierst als auch die Mikronährstoffversorgung sicherstellst.

Fazit

Was ist also die Moral von der Geschicht? Solltest du nun also kurzkettige Kohlenhydrate meiden wie der Teufel das Weihwasser? Nein, natürlich nicht, denn auch diese einfachen Carbs haben ihren Einsatzbereich, in dem sie ihre Stärken vollends ausspielen können. Dies betrifft zum Beispiel die Verwendung unmittelbar vor und unmittelbar nach dem Training, wenn es wirklich notwendig ist, den Organismus zum Zweck der Regeneration beziehungsweise der optimalen Leistungsentfaltung schnell mit Energie zu versorgen. Wenn du deine Gesundheit optimieren möchtest, solltest du also darauf achten, beide Kohlenhydratarten ihren Stärken und Schwächen entsprechend einzusetzen. Mit dieser Vorgehensweise bist du den meisten Anhängern der diversen Kohlenhydratreligionen nämlich bei Weitem überlegen.