Der Sport ist Zeit seines Bestehens von unerklärlichen Mythen und seltsamen Phänomenen geprägt, für die nur selten eine logische Erklärung gefunden werden konnte. Gleich ob es sich um die mysteriöse Dominanz schwarzafrikanischer Sprinter, die leistungssteigernde Wirkung sexueller Techtelmechtel unmittelbar vor dem Wettkampf oder um die mysteriösen emotionsgeladenen Schreie beim Damentennis handelt – keine dieser Erscheinungen konnte bisher durch die Sportwissenschaft hieb- und stichfest aufgeklärt werden. Doch zumindest die Ermittlungsakte "Damentennis" scheint aufgrund jüngster Erkenntnisse von Wissenschaftlern der Universität Indiana, erneut aufgerollt werden zu müssen. Coregasm nennt sich das Phänomen, das wenn auch unscheinbar, im Fitnessstudio in Erscheinung tritt.
Orgasm vs. Coregasm
Lange kursierte in den Kreisen weiblicher Trainierender die Anekdote, dass es möglich sei, während des Bauchmuskeltrainings eine Art Orgasmus zu erleben. Doch da dies bei Weitem nicht auf alle Frauen zutraf, galt der Coregasm lange Zeit als inexistent. Eine groß angelegte Studie die Sportwissenschaftler des "Center for Sexual Health, Physical Education and Recreation" der Universität von Indiana durchführten, bewies im Jahr 2012 die tatsächliche Existenz des Phänomens, das offenbar gar nicht so geheimnisvoll ist. Im Gegensatz zum Orgasmus, der durch die Stimulation der Klitoris im Rahmen sexueller Handlungen hervorgerufen wird, tritt der Coregasm vollkommen unabhängig davon auf, was die Wissenschaft lange vor ein unlösbares Rätsel stellte. Aufgrund des gehäuften Auftretens im Zuge von anstrengendem Bauch-Training, welches vor allem im angloamerikanischen Raum als "Core-Workout" bezeichnet wird, erhielt dieser ganz besondere Orgasmus seinen Namen. Auch wenn der Auslöser für das Phänomen nicht zu einhundert Prozent identifiziert werden konnte, so ist davon auszugehen, dass die Bauch- und Beckenbodenmuskulatur während des Trainings Druck auf die Klitoris auslöst und somit während des Trainings durchaus ein Orgasmus ausgelöst werden kann.
Studie kommt zu eindeutigem Ergebnis
An der repräsentativen Studie nahmen im Jahr 2012 insgesamt 370 Frauen zwischen 18 und 63 teil, von denen 124 angaben schon einmal einen Orgasmus beim Sport erlebt zu haben. Immerhin 246 berichteten darüber hinaus, dass sie bisweilen zumindest sexuell angenehme Gefühle im Zuge des Trainings wahrnahmen, ohne dabei sexuelle Gedankengänge gehegt zu haben. Besonders die Auswertung der Sportarten bei denen der Coregasm am häufigsten vorzukommen schien, untermauerte die These, dass die angespannte Bauchmuskulatur ausschlaggebend für die Stimulation ist. Deshalb ist es auch wenig verwunderlich, dass gerade das Beckenbodentraining weit oben in dieser Liste steht. Aber auch andere Sportarten, die die Bauchmuskulatur besonders stark beanspruchen, wie Yoga, Krafttraining, Radfahren oder Tennis führten bei zahlreichen Teilnehmern der Studie bereits zum Coregasm. Dass aber nur 51,4% der Frauen während des Trainings einen Orgasmus erleben, liegt laut einer weiteren Untersuchung amerikanischer Sportwissenschaftler daran, dass die Stimulation der Klitoris nur durch eine gut ausgebildete Beckenbodenmuskulatur hervorzurufen sei. Weiterhin ist anzunehmen, dass auch die Ausschüttung des Glückshormons Endorphin während des Workouts, an der Stimulation der Klitoris beteiligt ist und damit das Auftreten des Coregasm begünstigt.
Wahrhaft befriedigende Übungen
Amerika wäre nicht das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, wenn sich nicht ein findiger Mensch daran gemacht hätte, aus den neu gewonnenen Erkenntnissen Profit zu schlagen und ein spezielles Orgamus-Workout für Frauen aus dem Boden zu stampfen. Doch tatsächlich bietet ein US-Fitnessstudio derzeit ein Coregasm-Trainingsprogramm an, das vor allem aus anstrengenden Übungen für den Unterleib sowie den Hüftbereich besteht. Als Europäer mag man sich verwundert die Augen reiben, dass ein solches Programm gerade im prüden Amerika keine Kongressdebatten provoziert hat, sondern an öffentlichen Plätzen, die Fitnessstudios nun einmal sind, praktiziert werden dürfen. Doch auch ohne Fitnesscoach können die Damen diesseits des Atlantiks ihre ganz persönlichen Erfahrungen machen. Besonders empfehlenswert ist neben den klassischen Crunchs der sogenannte "Captain’s chair", eine Übung im Zuge derer der Coregasm, den Ergebnissen der Studie nach zu urteilen, besonders häufig auftritt. Die Übung, die im deutschsprachigen Raum auch als "Knieheben am Holm" bekannt ist, kann sowohl frei am Dippständer als auch an einer speziell dafür vorgesehenen Maschine ausgeführt werden. Darüber hinaus eignen sich auch Kniebeugen sowie Frontkniebeugen, um dem Coregasm zumindest näher zu kommen, da diese sowohl die Bauch- als auch die Beckenbodenmuskulatur stark beanspruchen. Um einen Coregasm zu erleben ist es allerdings nicht ausreichend, halbherzig ein paar Crunchs zu absolvieren oder eine Handvoll Kniebeugen herauszupressen. Vielmehr gehört wie so oft im Leben Ausdauer dazu, denn glaubt man der US-Wissenschaftlerin Debby Herbenick, sind zwischen 15 und 30 Wiederholungen Pflicht.
Coregasm-Workout
- Frontkniebeugen – 3 Sätze à 15-30 Wiederholungen
- Crunches – 3 Sätze à 15-30 Wiederholungen
- Knieheben am Holm – 3 Sätze à 15-30 Wiederholungen
Fluch oder Segen?
Der Coregasm ist ein Phänomen, um dessen Existenz lange gerätselt wurde, doch vor allem Frauen scheinen diesen besonderen Orgasmus tatsächlich im Fitnessstudio erleben zu können. So mancher Mann dürfte aufgrund dieser Tatsache wohl vor Neid erblassen und beim nächsten Bauchtraining ein paar Wiederholungen mehr absolvieren. Doch so angenehm eine Erscheinung wie der Coregasm auch sein mag, so belastend kann er sich im Gegenzug auf das Training selbst auswirken, denn wer kann unter solchen Voraussetzungen schon konzentriert weiter trainieren, ohne mit der Schamesröte im Gesicht um sich zu blicken? Wer es sich dennoch nicht nehmen lassen will, eigenen Erfahrungen zu machen, dem sei die Intensivierung des Trainings der Bauch- und Beckenbodenmuskulatur ans Herz gelegt. Alle anderen trösten sich mit der Tatsache, dass zumindest die Akte "Damentennis" endgültig geschlossen werden kann.