Kreatin ist das mit Abstand beliebteste Nahrungsergänzungsmittel im Sport, was nicht sonderlich verwundert, da dessen Wirksamkeit unlängst durch klinische Studien belegt wurde. Dennoch lässt sich über kein zweites Supplement so vortrefflich streiten, denn auch wenn das Kreatin hinsichtlich seiner Effektivität bestens erforscht ist, so kursieren unentwegt zahlreiche Mythen, die vor allem unter Trainingsanfängern für Verunsicherung sorgen. Zwar schwören sowohl Profi-Athleten als auch Freizeitsportler auf die Power aus der Dose, doch insbesondere über die Art und Weise der Einnahme herrscht Uneinigkeit. Wilde Spekulationen um die angebliche Schädlichkeit des Kreatins, die durch undifferenzierte Aussagen materienfremder Mediziner zusätzlich angeheizt werden, tragen nicht gerade zur objektiven Urteilsbildung bei. Schluss mit den Mythen – es ist an der Zeit, Klartext zu sprechen.
Was ist Kreatin?
Kreatin ist ein im menschlichen Körper natürlich vorkommender Stoff, der in der Leber, den Nieren und der Bauspeicheldrüse aus den Aminosäuren Arginin, Glycin und Methionin synthetisiert wird. Die etwa 2 Gramm, die so im Laufe des Tages hergestellt werden, finden sich vorrangig in der Skelettmuskulatur aber auch in Gehirn, Herz und Nerven. Auch wenn Kreatin für zahlreiche Stoffwechselfunktionen unerlässlich ist, so dient die Substanz unserem Körper hauptsächlich zur anaeroben Resynthese von ATP (Adenin Triphosphat), dem Treibstoff unserer Muskulatur, der dafür verantwortlich ist, dass diese überhaupt kontrahieren kann. Die natürlichen Kreatinspeicher sind allerdings begrenzt, sodass der Muskel relativ schnell auf alternative Energieträger zur aeroben Resynthese von ATP zugreifen muss. Über die gezielte Zufuhr von Kreatinprodukten lassen sich die Kreatinreserven in der Muskulatur aufstocken, wodurch der Umfang der anaeroben ATP-Resynthese erhöht wird, was zum einen die kurzzeitige Energiefreisetzung sowie die Regenerationsfähigkeit des Muskels in einem eng umrissenen Zeitfenster erhöht. Im Klartext bedeutet dies, dass wir innerhalb der ersten 15 bis 20 Sekunden der muskulären Belastung dazu in der Lage sind, entweder ein höheres Gewicht zu bewältigen oder mehr Wiederholungen zu absolvieren. Folglich hat Kreatin zwar keinen direkten Einfluss auf den Muskelaufbau, doch da sich durch die erhöhte Trainingslast, ebenfalls der Trainingsreiz erhöht, trägt das Nahrungsergänzungsmittel indirekt zur Muskelhypertrophie bei. Um also den Kreatinspiegel effektiv zu erhöhen, ist es notwendig, dieses entweder über Supplemente oder über Nahrungsmittel wie Fleisch und Fisch zu beziehen.
Kreatingehalt verschiedener Nahrungsmittel pro Kilogramm
- Hering – 7 Gramm
- Schweinefleisch – 4,5 Gramm
- Rindfleisch – 4 Gramm
- Lachs – 4 Gramm
- Thunfisch – 3,6 Gramm
- Kabeljau – 2,7 Gramm
Vor- und Nachteile des Kreatins
Der größte Vorteil der zusätzlichen Einnahme von Kreatin ist die Steigerung der Kraftleistung um 5-15%, was durch eine Studie aus dem Jahr 2003 zweifelsfrei belegt werden konnte. In diesem Kontext stellten US-Forscher fest, dass die Probanden im Vergleich zur Kontrollgruppe, die kein Kreatin zu sich nahmen, ihr Maximalgewicht beim Bankdrücken binnen acht Wochen im Schnitt um 6,85 Kilogramm erhöhen konnten. Die gesteigerte Kraftleistung ermöglicht härteres Training, was sich langfristig in vermehrtem Muskelwachstum niederschlägt. Da es die Vergrößerung der Kreatinspeicher ermöglicht, mehr Kraft zur gleichen Zeit aufzubringen, profitieren vor allem Kraftsportler, Sprinter und Leichtathleten von der leistungssteigernden Wirkung des Kreatins. Nicht zu Unrecht ist Kreatin auch in Spielsportarten unentwegt auf dem Vormarsch, da es als Laktatpuffer fungiert und somit die verfrühte Ermüdung der Muskulatur abwendet. Darüber hinaus lagert Kreatin Wasser in der Muskulatur ein, sodass diese voluminöser wirkt und beim Training einen härteren Pump erzeugt. Insbesondere in Kombination mit Kohlenhydraten lässt sich mit Kreatin besonders viel "passives" Muskelvolumen erzeugen, sodass das T-Shirt auch in der Diätphase spannt. Doch gerade dieser Aspekt birgt für viele Personen auch erhebliche Nachteile, da es von der Genetik des Einzelnen abhängt, wo genau die Wassereinlagerung stattfindet. Nicht selten lagert sich ein großer Teil der Flüssigkeit in der Haut oder im Gesicht ab, was den Körper aufgedunsen und weniger definiert wirken lässt. Weiterhin ist mit der erheblichen Zunahme des Körpergewichts zu rechnen, da jedes Gramm Kreatin gut 50 Milliliter Wasser einlagert. Im Angesicht der Tatsache, dass die körpereigene Kreatinreserve um durchschnittlich 40 Gramm erhöht werden kann, entspricht dies einer Gewichtszunahme von mindestens 2 Kilogramm.
Wer die Wahl hat, hat die Qual
Auf dem riesigen Markt für Nahrungsergänzungsmittel tummeln sich nicht nur zahlreiche Darreichungsformen, wie Pulver, Kapseln, Liquids und Mixturen, sondern auch unzählige Kreatinarten, die es zu unterscheiden gilt. Das klassische Kreatin-Monohydrat ist die günstigste, auf dem Markt erhältliche Variante und damit der beste Einstieg für die ersten Experimente mit Kreatin. Da sich Kreatin in Flüssigkeiten als instabil erweist und sich in relativ kurzer Zeit in das für den Energiestoffwechsel wertlose Kreatinin auflöst, ist die Einnahme größerer Mengen Monohydrat notwendig, um einen messbaren Effekt zu erzielen. Abhilfe schaffen Monohydratkapseln, deren Gelatinehülle das Kreatin erst im Darm freigibt, sodass ein größerer Anteil über das Blut in die Muskulatur gelangt. Unter trainierenden erfreut sich in diesem Zusammenhang ein Produkt namens "Kre-Alkalyn" größter Beliebtheit, das im Unterschied zu herkömmlichen Produkten über einen zugesetzten Säurepuffer verfügt, der das Kreatin vor dem Verfall in Kreatinin schützt. Darüber hinaus enthalten viele Pre-Workout-Booster moderate Mengen Kreatin in Kombination mit weiteren Stimulanzien, wie Koffein, Guarana und nicht zuletzt hochglykämsichen Kohlenhydraten. Doch neben den Darreichungsformen werben Supplementhersteller mit immer neuen Kreatinarten, die auf molekularer Ebene verändert wurden, um auf der einen Seite einen höheren Wirkungsgrad zu erzielen und auf der anderen Seite die Verträglichkeit zu erhöhen. Der wohl bekannteste Vertreter dieser Zunft, der mit dem Monohydrat um die Gunst der Käufer ringt, ist das Kreatin Ethyl Ester, das durch die Hinzugabe einer Estherverbindung besser aufgenommen werden kann. Allerdings sind Produkte wie Kreatin Ethyl Ester, Kreatin Citrat oder Kreatin Phosphat in der Regel wesentlich teurer, weshalb du dir die Frage stellen solltest, ob du diese Designerprodukte überhaupt benötigst. Wenn du infolge der Kreatineinnahme mit unangenehmen Blähungen oder Durchfall zu kämpfen hast, kann der Umstieg auf ein solches Produkt Wunder wirken, andernfalls reicht das klassische Monohydrat vollkommen aus.
Kur oder nicht Kur, das ist hier die Frage
Kaum ein Thema sorgt innerhalb der Fitnessszene für vergleichbare Grabenkämpfe, wie die Frage nach der korrekten Einnahme von Kreatin. Früher nahm man an, dass eine mehrwöchige Kur der einzige Weg sei, Kreatin sinnvoll einzusetzen. Diese Praxis fußte auf der Annahme, dass die körpereigene Kreatinproduktion nachhaltig geschädigt wird, wenn Kreatin über einen längeren Zeitraum hinweg zugeführt wird. Das Phänomen konnte zwar bei Tieren beobachtet werden, aktuelle Humanstudien erbrachten allerdings den Beweis, dass der menschliche Körper nach dem Absetzen des Supplements die Kreatinproduktion eigenständig reguliert, sodass die Durchführung einer Kur aus gesundheitlicher Hinsicht nicht notwendig ist. Einzig für die Psyche spielt das "Kuren" eine nicht unerhebliche Rolle, denn wer den "Wow-Effekt", der im Zuge der Kraftzunahme auftritt, vollends auskosten möchte, kommt um die klassische Kreatinkur nicht herum. Wenn du allerdings darauf verzichten kannst, solltest du Kreatin dauerhaft, dafür aber in geringerer Dosierung zu dir nehmen, da die Kreatinmast infolge der Kur erhebliche Nebenwirkungen nach sich ziehen kann. Zum Muskelaufbau eignen sich allerdings beide Varianten gleichermaßen.
Die optimale Kreatinzufuhr
Mit dem Kreatin verhält es sich wie mit vielen Dingen im Leben – viel hilft nicht unbedingt viel. Für den durchschnittlichen Sportler ist im Rahmen der dauerhaften Einnahme, die Zufuhr von 3 Gramm Kreatin pro Tag vollkommen ausreichend. Da der Kreatinanteil im Körper einer Frau um 20% geringer ist als in dem eines Mannes, genügen hier bereits 2,4 Gramm täglich, um das volle Potenzial des Nahrungsergänzungsmittels ausschöpfen zu können. Da überschüssiges Kreatin ohnehin über den Urin ausgeschieden wird, ist es wenig sinnvoll mehr Kreatin als empfohlen zu supplementieren, denn damit spülst du nicht nur bares Geld das Klo herunter, sondern provozierst darüber hinaus unangenehme Nebenwirkungen. Folglich ist eine Überdosierung im klassischen Sinne nicht möglich. Allerdings sollte die Flüssigkeitszufuhr nicht außer Acht gelassen werden, da die dauerhafte Kreatineinnahme in Kombination mit einem starken Flüssigkeitsdefizit, auf lange Sicht die Nieren schädigen kann. Um auf der sicheren Seite zu sein, solltest du am Tag 3-4 Liter Wasser zu dir nehmen. Nebenwirkungen wie Blähungen, Übelkeit und Durchfall hingegen, hängen nicht unbedingt mit der Menge des aufgenommenen Kreatins zusammen, sondern sind oftmals das Ergebnis individueller Verdauungsreaktionen. Sowohl das Auftreten dieser Symptomatik als auch dessen Häufigkeit hängen weiterhin von der Art des verwendeten Kreatins ab. Wenn du also über längere Zeit Verdauungsbeschwerden hast, kann sich der Umstieg auf eine leichter zu resorbierende Kreatinart lohnen.
Mythen und Fakten
Der Kaffee am Morgen galt aufgrund der entwässernden Wirkung des darin enthaltenen Koffeins über viel Jahre hinweg als absolutes No-Go für Kreatinkonsumenten. Sportwissenschaftliche Untersuchungen konnten diesen hartnäckigen Mythos allerdings ins Land der Legenden verbannen, da diese belegten, dass das Koffein weitaus weniger stark entwässert als zunächst angenommen. Dementsprechend ist bei ausreichender Flüssigkeitszufuhr, gegen koffeinhaltige Heißgetränke nicht das geringste einzuwenden. Nicht weniger verblüffend ist die Tatsache, dass noch immer zahlreiche Allgemeinmediziner propagieren, dass die Einnahme von Kreatin irreparable Nierenschäden provoziert, obwohl dies bereits durch zahlreiche Studien widerlegt wurde. Unter der Voraussetzung, dass kein expliziter Flüssigkeitsmangel vorliegt, ist die Kreatinzufuhr bei einem gesunden Erwachsenen vollkommen unbedenklich. Wahr ist jedoch, dass die vermehrte Aufnahme von Kreatin das Auftreten von Krämpfen begünstigt, da einerseits während des Trainings eine höhere Spannung im Muskel herrscht und andererseits eine großer Teil des intrazellulären Magnesiums durch Kreatin gebunden wird. Demzufolge ist die zusätzliche Einnahme von 600-900 Milligramm Magnesium zu empfehlen.
Empfehlung mit Einschränkung
Kreatin ist mehr als ein einfaches Nahrungsergänzungsmittel, denn es ist eines der wenigen, wenn nicht das einzige legale Supplement, das imstande ist, die Leistung eines Sportlers deutlich zu steigern. Dementsprechend lohnt sich der Einsatz von Kreatin für Athleten sämtlicher Disziplinen, in denen sowohl Kraft als auch Schnellkraft gefordert sind. Vor allem im Bereich des Bodybuildings ist die Versuchung groß, auch als Anfänger bereits mit Kreatin zu experimentieren, doch gerade in diesem frühen Stadium der Fitnesskarriere ist der Einsatz von Kreatin pures Gift. Nein, nicht weil Kreatin für Rookies besondere Nebenwirkungen bereithält, sondern da der Körper ohnehin auf Hochtouren arbeitet und den Trainingsreizen kaum mit der Anpassung des Gewebes hinterherkommt. Auch wenn sich die Muskulatur relativ schnell anpassen kann, trifft dies weder auf das Bindegewebe noch auf Sehnen und Gelenke zu. Im schlimmsten Fall bedeutet dies bereits nach wenigen Monaten eine Zwangspause aufgrund von Sehen- oder Gelenkentzündungen. Wer nicht mindestens ein Jahr Trainingserfahrung aufweist oder noch minderjährig ist, sollte vom Kreatin tunlichst die Finger lassen. Abgesehen davon ist Kreatin für sowohl für Männer als auch für Frauen gleichermaßen geeignet, um die sportliche Leistung zu erhöhen.